perfektionismus Statt perfekt sein zu wollen, einfach zufrieden mit sich und der Welt sein.
7. Juni 2016 von Mareike Steger

Perfekt ist nicht unbedingt gut

Perfekt sein zu wollen ist etwas, für das sich niemand schämen muss. Gilt es doch als erstrebenswert, Dinge immer noch besser zu machen. Doch reicht es nicht, einfach nur gut zu sein?

Schluss mit dem Perfektionismus

Wer perfekt sein will, hat ein Problem. Es nennt sich: Entscheide dich! Das fällt Perfektionisten naturgemäß schwer. Egal, ob es darum geht, einen Urlaubsort zu bestimmen, das günstigste TV-Gerät mit den besten Features zu finden oder die bestmögliche Erziehung fürs Kind auszuwählen. Ganz zu schweigen von den Anforderungen im Job. Und auch das Ich will fleißig getunt werden, soll wahlweise gelassener, durchsetzungsstärker, freundlicher oder was immer werden.

Der Versuch, uns und unser Leben zu optimieren, führt aber in die Irre. Er bringt uns auch nicht dem Optimum näher, sondern allenfalls dem Burnout. Denn was tun Perfektionisten? Sie grübeln, statt zu handeln. Gut, wir kennen das alle: Es ist immer schwer, sich zu entscheiden, wenn es zu viele Möglichkeiten gibt, aus denen wir wählen können. Man denke da nur an all die Online-Shops, bei denen wir nach dem besten und schönsten Schnäppchen suchen können. Aber es ist nun einmal so: Es gibt keine optimale Lösung, und danach zu suchen macht nur unzufrieden.

Deshalb hier ein Tipp: „Es macht glücklicher, Entscheidungen zu treffen und etwas zu Ende zu bringen, als Projekte immer optimieren zu wollen“, sagt US-Psychologe Barry Schwartz. Er rät zu einer Strategie, die er „Satisficing“ nennt: Das Wort setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern „satisfy“ (= zufriedenstellen) und „suffice“ (= genügen). Sprich: Satisficing ist die Kunst, sich zufriedenzugeben. Und diese Strategie lässt sich auf alle Lebensbereiche anwenden!

Perfektionismus

Warum gerade Perfektionisten so ungern Entscheidungen treffen, liegt auch in ihrer Angst begründet – und zwar vor dem Kontrollverlust. Die meisten von uns haben Angst vor Zweifeln, davor, Fehler zu machen und nicht alles beeinflussen zu können. „Perfektionismus ist immer der Versuch, Angst zu bannen“, sagt Psychiater Bernd Sprenger. Doch mit Kontrollverlust müssen wir heutzutage leben: „Man muss akzeptieren, dass es in vielen Bereichen die Sicherheit nicht gibt, dass eine einmal gefällte Entscheidung auf Dauer die richtige ist.“

Das Gute ist: Fast jede Entscheidung ist revidierbar. Und es kommt noch besser: Tagelang an etwas herumzudoktern, beispielsweise im Job an einer Präsentation, macht die Dinge nicht besser, im Gegenteil! In der Wirtschaft gibt es das Prinzip des „abnehmenden Grenznutzens“. Und das spricht gegen Perfektion. Wird in einer Firma zu viel Zeit darin investiert wird, etwas zu optimieren, und nicht erkannt, wann etwas gut genug ist, kann das teuer werden: Der Gewinn fällt im Vergleich zur investierten Arbeit zu gering aus.

Klingt furchtbar theoretisch? Dann überzeugt vielleicht die Argumentation von Karriereexpertin Simone Janson: Ihrer Meinung nach vertun Perfektionisten zu viel Zeit damit, ewig an Höchstleistungen zu arbeiten. In derselben Zeit bringt der Kollege/die Kollegin erfolgreich etwas voran – und hat auch noch die Muße, seine/ihre Erfolge bei den Chefs zu verkaufen. Mit der Folge, dass Perfektionisten seltener befördert werden, sagt die Expertin.

Besser also vieles gut machen als weniges perfekt. Nicht anders funktioniert ja auch die biologische Evolution – die baut ganz auf Unperfektion auf, Leben kann sich nur dank Fehlern in der DNA weiterentwickeln. Also: Schluss mit dem Perfektionismus, gut ist gut genug. Und dann gilt es, die gewonnene Zeit zu genießen!

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