18. September 2022 von maxima Redaktion

Schwierige Zeiten

Schlecht drauf oder depressiv?

Mangelnde Lebensfreude, Schlafprobleme, quälende Gedanken, Niedergeschlagenheit. Viele stecken – nicht erst seit Corona – in einer Negativspirale. Doch wo die Grenze ziehen zwischen einer psychischen Krise, die zum Leben dazugehört, und einer echten Depression?

Ob in Gesprächen im Familien- und Bekanntenkreis, beim Smalltalk am Arbeitsplatz oder beim Kaffeeplauscherl unter Freund:innen – immer öfter gibt es jemanden in der Runde, der leidvoll davon berichtet, schon seit längerem nicht besonders gut gelaunt zu sein. Da ist nicht selten die Rede von Niedergeschlagenheit, verminderter Lebensfreude sowie von vielen negativen Gedanken, die oftmals die Tage trüben und nachts den Schlaf rauben. Auch Gefühle wie Angst, Frust und Hilflosigkeit kommen häufig zur Sprache. Keine Frage: Zwei Jahre Pandemie, der Klimawandel sowie der Ukraine-Krieg schlagen aufs Gemüt. 

Globale Krisen

Eine Studie der Universität für Weiterbildung Krems etwa kommt zum Ergebnis, dass sich die psychische Gesundheit der in Österreich lebenden Menschen seit Pandemie-Beginn zusehends verschlechtert hat. Aktuelle internationale Studien bestätigen, dass die Häufigkeit von schweren Depressionen und Angststörungen weltweit um mehr als 25 Prozent zugenommen hat. Und auch wenn viele Bereiche des Alltags inzwischen wieder wie vor Beginn der Pandemie funktionieren, sind erwiesenermaßen gerade die wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Corona ein nicht zu unterschätzender Faktor für psychische Belastungen – für einen Teil der Bevölkerung nochmals verstärkt durch die gegenwärtige Teuerung im täglichen Leben seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine. 

In der Grübelspirale

Dass Sorgen und Ängste in unsicheren Zeiten die mentale Gesundheit beeinträchtigen können, liegt auf der Hand. Doch viele fragen sich: Ist mein mitunter schlafraubendes Grübeln typisch für eine Krisenstimmung, die mit der Zeit vergeht, oder sind meine negativen Gedanken Anzeichen für eine Depression? Psychotherapeutin Ilhem Ajili dazu: „Das angesprochene Grübeln bezeichnen wir in der Psychotherapie als Rumination. Gemeint ist das immer gleiche Nachdenken über die immer gleichen Fragen. Jede:r kennt die Situation, dass man abends mal im Bett liegt und der Geist einfach nicht ruhen möchte. Es plagen einen Gedanken, Sorgen, Zweifel, Ängste.“

Diagnose: Depression

Was aber, wenn eine Depression ursächlich für die Negativspirale ist? „Depressive klagen oft über eine länger anhaltende gedrückte Stimmung, Verlust von Interesse, Freude und Energie, Antriebslosigkeit, wenig Selbstvertrauen, Verminderung der Konzentration, Schlaflosigkeit, Appetitstörungen, bis hin zu Schmerzzuständen aller Art. Viele Betroffene haben auch Suizidgedanken“, erklärt Gestalttherapeutin Ajili.

Gerade weil eine Depression eine Erkrankung der Psyche mit zahlreichen Ausdrucksformen ist, sei es essenziell, dass die Diagnose von Fachleuten – Psychologe bzw. Psychologin oder Psychotherapeut:in – gestellt wird. Denn es gibt klar definierte Leitlinien für psychische Erkrankungen, nach denen festgelegt wird, wie viele und welche Symptome wie lange vorliegen müssen, damit die Diagnose Depression gestellt werden kann. Depressiv werden kann jede:r, unabhängig von Alter, Geschlecht oder sozialem Status. Die gute Nachricht: Bei richtiger Behandlung kann Betroffenen erfolgreich geholfen werden.

Ganz wichtig: Hilfe holen

Kernsymptome für Depressionen können sein:

  • Im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos gewesen
  • Im letzten Monat weniger Lust und Freude an Dingen, die man sonst gerne tut
  • Schon seit geraumer Zeit energielos, freudlos und antriebslos
  • Länger als zwei Wochen lang Interessenverlust und schnelle Ermüdbarkeit

Der Weg zur Diagnose

Damit die Diagnose Depression gestellt werden kann, müssen zusätzlich zu den Kernsymptomen mindestens zwei Symptome auftreten, die jedenfalls jeden Tag und mehr als zwei Wochen lang festgestellt werden. Dazu zählen: 

  • Verlust des Selbstvertrauens oder Selbstwertgefühls
  • Schuldgefühle
  • Hoffnungslosigkeit
  • Suizidgedanken
  • Schlafstörungen
  • Unruhe
  • Konzentrationsstörungen
  • Appetitlosigkeit oder ungezügelter Appetit
  • Körperliche Beschwerden (Kopf- oder Rückenschmerzen, Verdauungsprobleme etc.)

Anlaufstellen & Helplines

Krisentelefon Psychosozialer Dienst Wien: 01 313 30 (rund um die Uhr)

Telefonseelsorge: 142 (rund um die Uhr)

Kriseninterventionszentrum: 01 406 95 95 

Psychologischer Beratungsservice des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen: 01 504 80 00 

Zum Nachlesen

Originaltext von Daniela Jasch, erschienen in der maxima-September Ausgabe 2022

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