17. September 2018 von maxima Redaktion

Tatort Fußgängerzone

Frauen wie Beute jagen: die miesen Maschen der Pick-up Artists

Sie sind jung, relativ unscheinbar, gebildet und sie legen sich in den Fußgängerzonen der Großstädte auf die Lauer. Und zwar um Frauen zu jagen. Das Business der Pick-up Artists.

Die Szene der Pick-up Artists

Mal schnell was im Vorbeigehen schnappen und verspeisen? Nein, hier ist nicht die Rede von labbrigen Pommes oder einer Asia-Nudelbox to go. Die Rede ist von Frauen. Frauen, die von Männern gejagt werden. Schnell abscannen, auf sie zugehen, sie ansprechen, die einstudierten Standardsprüche bringen, eine Telefonnummer oder ein spontanes Kaffee-Date absahnen und im besten Fall im Bett landen. Ein sogenannter Pick-up Artist (PUA) ist ein Mann, der das Verführen der Frau sozusagen als Sport betreibt. Das ist sein Prinzip, und er ist vor allem in Großstädten verbreitet. Von den USA schwappte der „Trend“ nach Deutschland und anschließend nach Österreich über. Und es gibt tatsächlich Bücher, Kurse und Foren, über die Männer gezielt erlernen können, eine Art Profi-Aufreißer zu werden. Selbsternannte Flirt-Gurus geben für nicht wenig Geld ihr Wissen weiter.

 

Ich bin auf dieses traurige Phänomen aufmerksam geworden, weil mir einer dieser Pick-up Artists selber untergekommen ist. In Wien, mitten in der Fußgängerzone. Es war am helllichten Tag gegen 15 Uhr, als ich mich auf dem Tatort Mariahilfer Straße, Höhe Neubaugasse, befand, um ein paar Besorgungen zu machen. Da ich Kopfhörer trug, bemerkte ich den Flirtversuch des ca. 25-jährigen jungen Mannes nicht. Wahrscheinlich wollte ich es einfach nicht bemerken. Als er mir in den Weg trat, wollte ich bewusst weitergehen, lehnte dankend ab, aber er stellte sich regelrecht vor mich und bremste mich ein. Der junge Typ meinte gleich, dass ich bitte kurz stehen bleiben solle und er mir nichts andrehen möchte oder dergleichen. Dann machte er mir ein Kompliment, sagte daraufhin aber etwas Negatives. Anschließend verwickelte er mich in ein Gespräch. Weder fand ich ihn sonderlich attraktiv noch hatte ich Interesse, dennoch blieb ich ein paar Minuten stehen, um mit ihm zu plaudern. Warum? Gute Frage, aber er leitete das Gespräch dermaßen geschickt, sodass es mir schwerfiel, aus der Nummer schnell rauszukommen.

Er quetschte mich aus, erzählte aber auch ganz offen von sich. Ich meinte, dass es ganz schön mutig sei, dass er mich einfach angesprochen habe, woraufhin der junge Kerl, der laut eigenen Aussagen Politikwissenschaften studiert, konterte: „Ach, findest du? Aber geh, ich mache das nicht zum ersten Mal!“ Da überkam mich zum zweiten Mal das Bedürfnis, das Gespräch abzubrechen, was eben nicht so leicht war, da er es ständig aufrechterhielt. Also schob ich einfach zwischendrin ein „Sorry, ich muss jetzt weiter“ ein, woraufhin er mich fragte, ob ich mit ihm auf einen Kaffee gehen möchte. Mit der Notlüge „Nein, ich habe einen Freund“ wollte ich ihm ein „Nein“ zu verstehen geben. Im Nachhinein dachte ich mir, dass es ein deutliches Nein ohne Rechtfertigung ebenso getan hätte, denn wofür musste ich mich auch rechtfertigen? Daraufhin kippte plötzlich die Stimmung, er rollte die Augen, drehte sich schlagartig um und murmelte verärgert „Whatever!“. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah, und habe das Ende des Gesprächs (falls man das noch so nennen kann) nicht richtig realisiert, sondern stand einfach nur kurz dumm da. Ich sah ihn auch nirgends mehr, er hatte sich regelrecht in Luft aufgelöst. Zum Glück!

Miese Masche

Ein paar Tage später scrollte ich mich durch den Instagram-Feed und sah die Story einer Wiener Bloggerin. Und ich traute meinen Augen nicht: Sie beschrieb exakt dieselbe Situation! Die Anmachsprüche, den Ort, die Art und Weise, wie das Gespräch beendet wurde, es war genau wie bei mir. Also schrieb ich sie an und wir tauschten ein paar Infos wie Aussehen, Name und Alter aus, die uns der Möchtegern-Casanova verraten hatte. Auch diese Angaben stimmten bis ins kleinste Detail überein. Die Bloggerin schrieb mir, dass sich bei ihr auch noch weitere Frauen gemeldet hatten, denen das Geschilderte ebenfalls passiert war und eine davon brachte den Begriff der Pick-up Artists ins Spiel.

Nach kurzer Recherche stößt man auf Artikel, Foren und Bücher rund um das Phänomen der Pick-up Artists. Unter dem Hashtag #pickupartist findet man allein schon knapp 14.000 Einträge mit Videoaufnahmen, Motivationssprüchen und dummen Tipps. In der Szene gibt es sogar eigenes Fachvokabular zur internen Verständigung. So sagt man „ein Set eröffnen“, sobald man sich auf die Jagd nach dem weiblichen Geschlecht begibt und auf eine oder mehrere Frauen zugeht. Das „target“ (= Objekt der Begierde) ist eine Frau, im besten Falle ein HB (= Hot Babe). Die Frauen werden rein optisch auf einer Skala von eins bis zehn eingeordnet, wobei die HBs zwischen sieben und zehn und sogenannte UGs oder UBs (= Ugly Girls/Babes) auf den ersten vier Plätzen der Skala eingereiht werden. Auf Angriff gehen die Pick-up Artists auf öffentlichen Plätzen, denn dann sei die Abwehrbereitschaft der Frauen, das sogenannte „bitch shield“, geringer. Manche gehen alleine auf die „Jagd“, die meisten verabreden sich aber vorab und ziehen in der Gruppe los. Die PUA gehen nach ganz gewissen Methoden vor, die angeblich erfolgversprechend sind. So sei es wichtig, auch etwas Negatives zu sagen, um das Selbstbewusstsein und den Status des Gegenübers zu schwächen und so etwas wie Desinteresse an der Frau zu vermitteln, damit ihr Interesse im Gegenzug geweckt werde. Der Jackpot ist eine Frau mit LSE (= Low Self Esteem), dafür aber mit einem hohen HSD (= High Sex Drive). Ich muss zugeben, mir dreht sich der Magen um, während ich das hier schreibe. Denn was diese Herren betreiben, ist einfach nur manipulativ und sexistisch.

 

 

Das Ziel der Pick-up Artists ist ein FC (= Fuck Close), sprich: Man ist kurz davor, die Frau abzuschleppen und ins Bett zu kriegen oder hat es bereits erfolgreich geschafft. Dann wird schleunigst zu einem FTOW (= Fuck Ten Other Women) geraten, damit der PUA nicht emotional an einer Frau hängenbleibt, sondern unabhängig ist und bleibt. So, und nun fehlen mir endgültig die Worte.

 

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