6. Juni 2018 von Claudia Rejlek

App „Moment“

Digital Detox: Wenn dir das Smartphone Lebenszeit raubt

Apps wie „Moment“ oder „Checky“ tracken deinen täglichen Smartphone-Konsum. Aber sind diese Apps auch hilfreich, um das Nutzungsverhalten zu verändern?

Rettet Digital Detox meine Freizeit?

Vor kurzem schrieb mir eine Freundin, dass sie sich die App „Moment“ heruntergeladen habe, um zu messen, wie häufig sie ihr Smartphone nutzt. Sie wolle ihren Handy-Konsum drosseln. Daraufhin meinte ich, dass ich es gar nicht schlimm fände, wenn man viel Zeit am Handy verbringe, solange es einem Spaß und Unterhaltung bereite.

Doch mich hat die Neugier gepackt und so habe ich beschlossen, mir die App für den Digital Detox auch zu besorgen. Ausgerechnet eine Handy-App soll für einen bewussteren Umgang mit dem Smartphone sorgen. Klingt paradox!

 

Kevin Holesh hat die App programmiert. Er wollte handeln, als er merkte, dass seine digitale Abhängigkeit zu Problemen in seinem Privatleben führte und die Beziehung zu seiner Verlobten beeinträchtigte. Als er mit seiner Liebsten zusammenzog, starrten beide am Abend in ihre Handys, anstatt zusammen rauszugehen. „We stopped doing fun and productive things and chose the path of least resistance“, schreibt Holesh in einem Blogpost.

 

„Moment“ muss im Hintergrund den ganzen Tag geöffnet bleiben, denn nur so kann die App mittracken, wie viele Minuten man am Handy verbringt und wie oft man es in die Hand nimmt. Überschreitet man eine gewisse Anzahl an Minuten, leuchtet ein Balken mahnend rot.

 

Ich war mir sicher, dass mich die Ergebnisse nicht sonderlich tangieren werden. Aber ich muss zugeben, ich bin schon ein wenig schockiert. Eigentlich war mir bewusst, dass die Zahl an Stunden, die ich am Handy klebe, hoch sein wird. Doch so schwarz auf weiß tut die Wahrheit schon mehr weh als gedacht.

 

Ganze sechs (!!!) Stunden habe ich an nur einem Tag am Handy verbracht, stolze 39 Mal habe ich es in die Hand genommen. Wahnsinn! Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich keinen Laptop besitze und mich gestern am Handy auf eine Prüfung vorbereitet habe. Zugegeben, eine mühsame Angelegenheit, auf dem kleinen Bildschirm zu lernen, aber zumindest eine Rechtfertigung, dass ich getrost eineinhalb Stunden von der Tagesbilanz abziehen kann. Wären wir immer noch bei viereinhalb Stunden. Das ist sozusagen der ganze Feierabend, den ich nur am Smartphone hänge.

 

Digital Detox

 

 

Jetzt stellt sich dem einen oder anderen vielleicht die Frage: „Was macht die bitte so lange am Handy?!“ Nun, die meiste Zeit verbringe ich mit der App Instagram. Dafür benötige ich keine andere App, um mir das mitzuteilen. Denn ich bin mir sehr wohl bewusst, dass Instagram mein schlimmster virtueller Feind ist, der sich mir jeden Morgen und jeden Abend als guter Freund verkauft. Gelangweilt hänge ich vor meinem Handy und wische mit meinen fettigen Chips-Fingern die Inststories gierig weiter, so als wäre ich auf Tinder unterwegs. Und so vergehen die wertvollen Stunden wie im Flug. Ich denke, es ist an der Zeit für ein wenig Digital Detox, ich muss meinen Geist entgiften.

Bin ich abhängig?

Mein Handy ist in der Regel das Letzte, was ich kurz vor dem Schlafengehen in den Händen halte (abgesehen von der Fernbedienung, um mit letzter Kraft Netflix abzuschalten, bevor ich schlaftrunken nicht mehr dazu in der Lage bin), und das Erste, nach dem ich am Morgen greife, da ich es als Wecker benutze. Mit noch nicht mal halb geöffneten Augen checke ich jeden Morgen Instagram, nachdem ich den Wecker abgedreht habe. Ich frage mich: Bereitet es mir wirklich so viel Freude, in den Untiefen der Sozialen Netzwerke herumzuschwirren, oder ist es vielleicht nur ein Vorwand, um mir nicht eingestehen zu müssen, dass ich bereits Züge eines Suchtkranken aufweise?

 

Ich bin irgendwie enttäuscht. Enttäuscht, dass ich so lange in dieses digitale Gerät hineinstarre und nicht etwa einen Abendspaziergang mache oder zu einem Buch greife. Enttäuscht, dass ich mir selber etwas vormache und meinen Handy-Konsum mit „Spaß“ rechtfertige. Denn wirklich Spaß habe ich nicht, wenn mir die Augen bereits brennen, wenn ich merke, wie schnell der Abend verfliegt, und das kleine Teil meine Freizeit aus mir saugt wie eine Mücke das Blut.

 

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Wie oft wäre ich um ein Haar in einen dicken Hundehaufen getreten, gegen ein Straßenschild geknallt oder in ein Auto gerannt, weil ich unachtsam war und am kleinen Bildschirm klebte. Die Tatsache, dass so viele Menschen zum Beispiel in der U-Bahn nur auf ihr Handy starren und nichts mehr miteinander reden, stört mich dabei weniger. Denn eigentlich bin ich froh, wenn ich von meinem Gegenüber nicht angestarrt werde, diese Blicke muss heutzutage das Smartphone ertragen. Die Menschen hören Musik, informieren sich über Wichtiges und Unwichtiges und nutzen die Zeit in den öffentlichen Verkehrsmitteln meiner Meinung nach nicht weniger sinnvoll als in der Zeit, in der Smartphones eine Seltenheit waren.

 

Was mich eher stört, ist die Tatsache, dass mich mein Smartphone offensichtlich in meiner Freiheit und Freizeit einschränkt, ja beides regelrecht beschneidet. Vergangenes Wochenende hatte ich Besuch von meinem Papa. Wir waren beim Heurigen essen, hatten eine gute Zeit. Doch da war dieses Gefühl, das mich innerlich unruhig stimmte. Ich hatte das Bedürfnis, mein Handy in die Hand zu nehmen und WhatsApp und Instagram zu öffnen. Als mein Papa dann kurz auf die Toilette verschwand, zögerte ich keine Minute und griff zum Handy. Und weg war ich! Wie ein Sog zog mich das Smartphone unverzüglich mit all seinen Apps in einen digitalen Strudel, in dem ich mich vermeintlich so wohlfühlte, dass ich ihn nicht sofort verlassen wollte, als mein Dad wieder mir gegenüber Platz nahm.

 

Ich greife zum Handy, wenn ich auf eine Freundin warte, wenn ich mit der U-Bahn fahre und wenn ich im Wartezimmer sitze. Entgegen vielen Meinungen finde ich es nicht bedenklich, dass wir solche „Leerzeiten“ mit dem Smartphone füllen, wenn ich aber meine wertvolle freie Zeit am Abend oder an den Wochenenden vom Handy bestimmen lasse, dann ärgere ich mich durchaus, und zwar über mich selber.

Einfach mal liegenlassen

Aus solchen Gründen möchte ich lernen, es liegen zu lassen. Das Handy einfach mal beiseitezulegen und dabei kein seltsames Gefühl zu verspüren. Ich muss mir eingestehen, dass ich auf eine gewisse Art und Weise von meinem Smartphone abhängig bin. Oft stelle ich mir vor, wie mein Handy auf einen Steinboden knallt, wie es ins Wasser fällt und sofort untergeht oder wie es mir geklaut wird. Und diese Vorstellung ist schrecklich! Ich habe das Gefühl, einen Teil meines Lebens zu verlieren, wäre mein Smartphone plötzlich weg oder defekt. Ist das nicht total verrückt?

 

Warum ich mir solche Szenarien ausmale? Ich weiß es nicht, vielleicht kennt ihr das auch, vielleicht bin ich aber auch einfach nur ein kleiner Freak.

 

Ich bin nicht der Typ für philosophisch anmutende Ratschläge wie „Verbringt eure Zeit nicht in der digitalen Welt, sondern geht lieber raus ins wahre Leben, trefft euch mit Freunden und kommuniziert face-to-face mit ihnen, denn das ist es doch, was wirklich zählt“, denn ich muss gestehen, ich liebe mein Handy schon ein bisschen. Aber ich werde versuchen, das Liegenlassen zu lernen. Die neu gewonnene Zeit werde ich nutzen, um öfters ein Buch aufzuschlagen oder einfach nur um dazuliegen und die Gedanken schweifen zu lassen. Lernen, dass Nichtstun nicht langweilig sein muss.

 

Naomi Clark Namaste Bitches GIF - Find & Share on GIPHY

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