Ritter, Retter, Lusche: Wann brauchen wir Beschützer?
In der Bar, auf der Straße, auf der Party – Frauen können sich selbst gut durchsetzen. Aber wie und wann wissen Männer, ob ihre Hilfe wirklich gebraucht wird?
Früher war alles viel einfacher. Also zumindest auf den ersten Blick. Denn in Zeiten des Patriarchats lag klar auf der Hand: der Mann am Feld, die Frau am Herd. Er der Versorger, der Beschützer, sie die zarte Pflanze, die vor Übergriffen bewahrt werden muss. Dann kommt es in der Postmoderne zu einer Aufweichung des traditionellen Geschlechterarrangements: Frauen haben mit den Männern bildungsmäßig gleichgezogen und werden „doppelt vergesellschaftet“, was heißt: Sie sind für Familie und Beruf gleichermaßen zuständig. Das stresst, stärkt aber auch gleichzeitig.
Frauen heute sind selbstbewusst, freiheitsliebend, wählerisch und couragiert. Das ändert auch das weibliche Verhalten bei zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen: Bei blöden Sprüchen von übergriffigen Kerlen rufen sie nicht zuerst ihren Partner, sie versuchen es selbst zu regeln. „Na warte! Das sag ich meinem Mann!“ wird in unserem Sprachgebrauch kaum mehr vorkommen.
Frauen beschützen? Ist aus der Mode gekommen.
Der Mann zog früher ohne Furcht in den Krieg, schlug den geilen Nebenbuhler grün und blau, wenn er sich für die Frau des Hauses zu sehr interessierte, und setzte regelmäßig sein Leben aufs Spiel. Da stellt sich die Frage, ob es zum Sieg des Feminismus gehört, dass die Frau für alles zuständig sein soll, auch für die Abwehr von Unholden.
Seien wir ehrlich: Das Imponiergehabe wurde den meisten Kerlen abtrainiert. Männer von heute schlichten gerne. Deeskalation ist ihr primäres Ziel bei Auseinandersetzungen – und das ist gut so. Dennoch: In einer Welt, wo manche Orte und Situationen nicht mehr so sicher sind, ist ein Gefühl immer noch präsent: beschützt werden zu wollen. Auch als starke Frau. Aber wann?
Beschützen bedeutet Zivilcourage – nicht mehr, nicht weniger.
Nun, es muss nicht immer gleich das Worst-Case-Szenario sein, in dem Frauen Hilfe brauchen. Oft sind es blöde Bemerkungen oder gemeine Witze im Bekanntenkreis oder auf einer Party. Von Menschen, die uns kennen. Dann versagt oft dem coolsten Weib der Atem. Dem Fremden in der Bar hätten wir schon längst eine geknallt, aber was, wenn der Kumpel des Partners oder ein Kollege eine abfällige oder sexistische Bemerkung macht – mit dem Subtext, man solle gefälligst Spaß verstehen und nicht so zickig sein. Dann tut es weh, wenn der eigene Partner die Situation ignoriert – oder noch schlimmer: mitlacht. Denn in Wirklichkeit geht es hier nicht um eine Gender-Frage oder darum, dass Männer wieder Raubtiere (oder zumindest Ritter) werden müssen: Es ist eine Frage der Höflichkeit, der Menschlichkeit!
Beschützen ist etwas Gutes, etwas eigentlich Selbstverständliches – es nennt sich Zivilcourage. Die kann jeder zeigen, ob männlich oder weiblich, mit dem Opfer liiert oder unbekannt, einfach jeder, der den Mut aufbringt. Wenn der Partner gleichgültig reagiert, sitzt die Kränkung tief. Nicht weil er eine verweichlichte Lusche ist, sondern ein Ignorant. Oder feig. Oder beides. Blöd wird’s nur, wenn man meint, Reagieren wäre reine Männeraufgabe.