Traumfrau sein ist anstrengend
13. Dezember 2017 von Janina Lebiszczak

Sexy, cool und sehr angestrengt:

Es nervt, eine Traumfrau zu sein!

Sie kann fluchen wie ein Matrose, Bier trinken wie ein Pro, ist für jeden Spaß zu haben. Und sieht dabei natürlich spitze aus. Die Traumfrau ist ein Mix aus Kumpeltyp und Pornostar. Und das ist ganz schön anstrengend.

In den Augen meiner Freundin S. stand ein riesengroßes Fragezeichen. Gerade hatte sich der Mann, der rein prinzipiell der Vater ihrer ungeborenen Kinder hätte sein können, verliebt. Nur halt nicht in S., leider. Sondern in eine nette, nerdige Frau, die auf Partys gerne in der Ecke steht. Nicht besonders hübsch, nicht besonders witzig. S. war in die Traumfrau-Falle getappt.

Zwei Monate hatte sie mit dem Kerl verbracht, war mit ihm auf Konzerten und Partys, im Fitnesscenter, hatte sich seine Sorgen angehört (auch den Blödsinn über seine Ex), war sogar mit ihm bei einem Fußballmatch. Dabei hatte sie stets auf ihr Aussehen geachtet. Sexy, cool, figurbetont, wagemutige Smokey Eyes und heiße Wäsche, falls es zufällig zum erotischen Infight kommt. Kam es natürlich auch. Trotzdem: Er entschied sich für das Mauerblümchen.

In der Traumfrau-Falle

Doch nicht nur die Geschichte von meiner Freundin ist ein warnendes Beispiel. Es ist einfach mühsam, cool zu sein. Man darf sich nicht beschweren, wenn man dir Bier übers Shirt schüttet („Jetzt sei nicht so“), man muss die fette Spinne mit Achselzucken in den Gully befördern, man muss fiese Herrenwitze über sich ergehen lassen („Jetzt sei nicht so“, Teil 2), man tut so, als würde jede Ungerechtigkeit, jeder Schmerz an einem abprallen, als wäre man aus Teflon. Als hätte ein verrückter Professor die Seele seines besten Kumpels in den Körpers eines Victoria’s-Secrets-Models gepflanzt. Denn optisch soll man die Weiblichkeit ja nicht verleugnen, aber bitte „with an edge“. Keine Kleidchen, keine nerdigen Pullis und Blusen, sondern ein Look, der sagt: „Ich bin tough, aber geil.“ Bikerlederjacken über Tanktops, grobe Stiefel zum kurzen Rock, zerrissene Jeans. Ganz schön anstrengend, cool zu sein. Traumfrau sein – das ist kein Zuckerschlecken.

Uncool ist das neue Cool

Ich bin unter Männern aufgewachsen und habe lange Jahre versucht, ebendiese Traumfrau zu spielen. Das führt übrigens zu tollen Freundschaften, aber selten zu romantischen Beziehungen. Weil sie in Wirklichkeit gar keine Lust haben, neben einer wirklich coolen Frau abzustinken. Isso. Immer lässig, souverän und kontrolliert zu sein macht das Leben nicht wirklich einfacher. Aber Rettung naht: Es ist wieder cool geworden, uncool zu sein. Jedenfalls für mich. Man darf Weihnachten mögen und ebenso „ugly christmas sweaters“, man darf hemmungslos beim Liebesfilm weinen und auf Facebook kundtun, absolut überlastet zu sein. Ja: Man kann auch ab und zu einfach nach Hilfe fragen, wenn man nimmer weiter weiß. Und süße Cocktails trinken, statt sich ein bitteres Bier reinzuwürgen. Die Diva raushängen lassen. Auf Fußball pfeifen. Spinnen schrecklich finden. Ganz normalen Sex haben statt Sadomaso oder Dreier. Aber vor allem: Einfach so sein, wie man ist. Entspannt mächtig!

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