Echte Intimität erfährt man nicht durch Beziehungshopping.
16. August 2016 von Mareike Steger

Soll ich gehen oder bleiben?

Die Luft ist raus, der Sex war auch schon mal besser, also: Schluss machen und her mit dem nächsten Kerl. Macht Beziehungshopping wirklich glücklicher, als sich auf echte Intimität einzulassen?

Die Crux der Intimität

Was bist du noch mit dem zusammen, das ist doch ein Trottel!“ Seit Frauen eigene Jobs haben, sind sie wirtschaftlich nicht mehr auf ihren Mann angewiesen. Und trennen sich leichter. „Historisch neu ist diese Freistellung von den Geschlechterrollen“, analysiert Katharina Hinsch, systemische Psychotherapeutin, Psychologin und Klinische Sexologin. „Nun ist auch der Mann alltagspraktisch nicht mehr von einer Frau abhängig, kann alleine bügeln oder kochen.“

Eine Generation habe es gedauert, jetzt zeige sich das kritische Moment dieser beidseitigen Unabhängigkeit erst richtig. „Heute mag niemand mehr in einer Beziehung bleiben, in der er sich nicht mehr wohlfühlt.“ Zumal wir heute den Anspruch haben, uns selbst gegenüber solidarisch zu sein, nicht mehr so sehr gegenüber dem Partner. „So gerät man schnell unter Rechtfertigungsdruck, warum man die Beziehung noch aufrechterhält.“ Dies alles gilt aber nur, solange es (noch) keine Kinder gibt.

Klar kann die Trennung mit Sex zu tun haben. Weil man glaubt, die miese Bettperformance liege am falschen Partner, statt dass man die eigenen sexuellen Fähigkeiten kritisch überprüft. Allerdings dauert es, bis sich der Sex verschlechtert, weil das Verliebtsein nachlässt, gut ein Jahr. „Wenn zwei Menschen sexuell nicht zusammenpassen, gehen sie heute oft die Beziehung erst gar nicht ein“, sagt die Expertin. Viele schrecken davor zurück, sich auf tiefe Bindungen einzulassen – und tauschen den Partner ständig aus. „Das hängt mit unserer konsumistischen Einstellung zusammen.“ Der Partner wird zur Ware, Tinder-App oder Datingbörsen weisen den Weg dorthin.

Wer Beziehungen nicht als Ware sieht, kann echte Intimität l(i)eben.

Zugleich gibt es eine irrsinnige Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe. Danach, sich fallenzulassen im intimen Raum der Partnerschaft“, sagt die Psychotherapeutin. „Doch manche schrecken davor zurück. Weil sie Verantwortung scheuen, weil man beginnen könnte, den anderen zu brauchen, und verletzlich wird.“

Wer den potenziellen Partner als Ware sieht, glaubt, es gebe so etwas wie Beziehung auf Probe. Klappt es mit dem einen nicht – oder wird es zu intim – wählt auf der Partnerbörse eben den nächsten aus. „Über dieses Beziehungshopping wird man aber nie feststellen, worum es geht. Nämlich: Wie fühlt es sich in der Intimität an, wenn beide die Masken fallen lassen?“

Sich auf den Partner einzulassen bedeutet eben auch, einiges in Kauf zu nehmen. Streit, Kompromisse, solche Sachen. „Viele wollen das nicht, fragen sich: ‚Hab ich das nötig?‘. Daraus wird sofort eine Frage des Selbstwertes“, weiß die Expertin. „Doch zum Paarsein braucht es diese tiefe Art, sich mit dem anderen auseinanderzusetzen – viele Ungleichheiten inklusive.“

Wie aber weiß man nun, ob man gehen oder bleiben soll? Ist eigentlich ganz einfach, meint Katharina Hinsch: Setzt euch gemeinsam hin und fragt euch: „Was ist euch beiden die Beziehung wert?“ „Das wissen die meisten. Es geht um ein ganz bestimmtes Gefühl. Wer schon viel erlebt hat mit dem anderen, für den hat die Beziehung selbst einen hohen Wert. Der will die Intimität mit genau dieser Person erhalten, die einem lieb geworden ist.“ Zu bleiben ist dann Entschlusssache. Die Beziehung wieder zu einer zu machen, in der man sich wohlfühlt, kann man über freundschafts- und liebestärkende Akte, wie ein gemeinsam in Angriff genommenes Hobby, einen Liebesurlaub, ein Tantra-Seminar oder eine Paartherapie.

Wenn sich keine Bedingungen mehr finden lassen, unter denen man genau diese Beziehung als etwas Wertvolles sehen kann, dann rät die Expertin, sich schleunigst zu verabschieden.

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