Unordnung auf dem Schreibtisch? Gut so, das macht kreativ!
29. Juli 2016 von Mareike Steger

Aufräumen mit der Unordnung

Kreatives Chaos? Manche Menschen mögen das gar nicht! Und behaupten: Wer Unordnung um sich herum wegräumt, schafft auch konstruktive Klarheit im Kopf. Stimmt das?

Wie Unordnung wirkt

In Japan würde man wohl zustimmen. Schließlich besagt dort ein Sprichwort: „Die Unordnung im Zimmer entspricht der Unordnung im Herzen.“ Auch wir kennen hierzulande etwas Ähnliches: „Ordnung ist das halbe Leben“ lernen wir als Kinder. Und räumen murrend die Spielsachen weg.

Ist man dann als Erwachsener in einem Büro angestellt, wird man von seinen Vorgesetzten als „Volltischler“ oder „Leertischler“ abgestempelt: Der eine hat einen chaotischen Büroschreibtisch, der andere sitzt an einem blitzblank oder zumindest einigermaßen aufgeräumten.

Jeder Personaler, behaupten Umfragen, wird den Leertischler bei der Beförderung bevorzugen. Ein voller Tisch wirkt eben so, als könne man nicht sehr effizient arbeiten. Dass ein völlig leerer Tisch hingegen auch aussagen kann, man habe nichts zu tun … doch lassen wir das. Die meisten Entscheider in großen Unternehmen jedenfalls verbinden Ordnung und Produktivität direkt miteinander.

Chaos hat also einen schweren Stand, besonders im Büro. Und das, obwohl Chaos eigentlich kein zielloses Durcheinander ist. Sondern ein laufender Prozess, der ganz eigenen Strukturen folgt.

Keine Unordnung am Schreibtisch? Laut Studien ist man nur mit einem Chaos-Schreibtisch richtig kreativ.

Aber wie wirkt nun die Umgebung auf den Geist ein? Stimuliert eine ordentliche Wohnung, ein aufgeräumtes Büro uns in irgendeine Richtung? Forscherinnen aus den USA und Holland haben sich das in Experimenten näher angeschaut. Und siehe da: Die Probanden am vollgerümpelten Schreibtisch arbeiteten zwar nicht produktiver. Aber: Sie fanden kreativere Lösungen als jene am ordentlichen Schreibtisch. Denn Unordnung lenkt unser chaotischstes Organ – unser Gehirn – ab, was zu einem zündenden Gedanken, einem nie da gewesenen kreativen Einfall führen kann.

Überraschenderweise sind Menschen an Messie-Schreibtischen nicht länger mit dem Suchen von Sachen beschäftigt als die ordentliche Fraktion, schreiben die Autoren Eric Abrahamson und David H. Freedman in ihrem Buch „Das perfekte Chaos“. Im Gegenteil: Nur neun Minuten pro Tag suchen Volltischler zu Hause und ebenso lange im Büro nach verlegten Dingen. Anders die Menschen mit dem Drang zur Ordentlichkeit und selbst ausgedachten Ordnungssystemen. Sie suchten im Schnitt wesentlich länger …

Das größte Problem mit der Unordnung, sagen Freedman und Abrahamson, ist außerdem nicht diese selbst, sondern: das Schuldgefühl, das uns das Chaos im Büro oder zuhause verschafft. Weil wir als Kind gelernt haben, immer aufzuräumen, verschafft uns Unordnung ein schlechtes Gefühl. Über den Sinn und Unsinn von (Un-)Ordnung sagt das aber nichts.

Und so sollten wir am Ende einfach akzeptieren, was Künstler M. C. Escher befand: „Wir verehren das Chaos, weil wir es lieben, Ordnung zu schaffen.“ Manche schaffen das Aufräumen besser, andere schlechter. Aber über ihren Charakter sagt das nichts aus.

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