24. Juli 2016 von Mareike Steger

Guter Neid, schlechter Neid

Neidisch zu sein gilt als schlechte Eigenschaft. Und als urmenschlich. Gibt es denn gar nichts Positives am Neid? Experten sagen: Doch!

Ich will das aber auch!

Plötzlich haben wir das Gefühl, nicht auf der Sonnenseite zu stehen. „Das will ich auch!“, schreit es in uns. Neidisch wird, wer sich vergleicht: Wir sehen die schicke It-Bag am Arm der Freundin, erfahren vom Superjob der Studienkollegin oder verfolgen, wie der Ex Bilder von fernen Ländern postet, die man selbst gern mit ihm bereist hätte.

Schon Kinder ab 18 Monaten können neidisch sein. Ihnen oder sich selbst ein „Nun vergleich dich doch nicht immer“-Verbot aufzuerlegen bringt übrigens nichts. „Unser Hirn funktioniert nun einmal so“, sagt der Grazer Neidforscher und Psychoanalytiker Ulf Lukan. „Der Vergleich ist die Basis unseres Intellekts und unserer Erkenntnis.“

Allerdings erzeugt der Vergleich allein noch nicht die Missgunst. Es muss das Gefühl hinzukommen, im falschen Leben zu stehen. „Die Basis von Neid ist mangelnde Glücksfähigkeit“, sagt Experte Lukan. „Mit materiellen Dingen hat Neid nichts zu tun, denn wir können auch neidisch sein auf Dinge, die uns noch nie abgegangen sind. Aber das Neidgefühl hängt sich an Materiellem auf.“ So glauben wir unbewusst, die It-Bag der Freundin mache diese glücklich – und weil wir es nicht sind, brauchen wir die Tasche auch.

So weit, so schlecht. Doch Neid, sagt Ulf Lukan, tritt beim Menschen in mehreren Stufen auf. So gibt es eine richtig krankhafte Version, bei der Menschen anderen Dinge missgönnen und sie zerstören wollen. Und auch die weniger pathologische Stufe erzeugt noch ein quälendes Gefühl: Man glaubt, dass das Objekt der Begierde eigentlich einem selbst zusteht. Diese beiden Neid-Stufen machen unglücklich.

Es ist kein schönes Gefühl, Neid zu verspüren.

Anders ist es mit konstruktiven Neid: „Neid kann auch ein Erkenntnisorgan sein, das uns zeigt, was alles möglich ist“, sagt der Experte. „Nach dem Motto: Wenn der das kann, kann ich das auch. Wir sehen etwa beim Freund, dass er eine Weiterbildung macht und im Job aufsteigt. Und wollen das auch. „Dann ist Neid ein Stachel des Ansporns und durchaus sinnvoll.“

Eine holländische Studie von 2011 belegt genau das: Konstruktiver Neid beförderte den Elan von Studierenden, sie schnitten besser bei Intelligenz- und kreativen Tests ab. Neid kann zudem nicht nur motivieren, etwas zu erreichen, sondern uns letztlich den Anstoß geben, endlich dorthin zu kommen.

Die US-Evolutionsforscherin Sarah E. Hill sieht im Neid sogar eine wichtige Form der Selbstreflexion: Er alarmiere uns, wenn wir bei anderen etwas sehen, was uns wichtig ist – auch wenn wir es (noch) nicht benennen können. Wer diesem Gefühl auf den Grund geht, erfährt viel über seine Bedürfnisse und inneren Wünsche. So verstanden, kann das frustrierende Gefühl, das Missgunst erzeugt, letztlich zu mehr Lebensfreude führen.

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